Löschen heisst nicht mehr löschen! GPT Chats werden für immer gespeichert.

Warum ein US-Gericht OpenAI zur unbegrenzten Speicherung aller ChatGPT-Chats verpflichtet – und was das für Nutzer und Unternehmen bedeutet


1 | Was ist passiert?

Am 13. Mai 2025 erliess die US-Magistratsrichterin Ona T. Wang (Southern District of New York) eine Preservation Order im Verfahren The New York Times Co. v. OpenAI (Az. 1:23-cv-11195). Darin wird OpenAI verpflichtet, sämtliche ChatGPT- und API-Ausgaben “bis auf Weiteres” aufzubewahren – auch dann, wenn Nutzer sie eigentlich löschen wollten. Das Gericht begründet die Anordnung damit, dass gelöschte Chats potenziell urheberrechtlich geschützte NYT-Artikel enthalten könnten und daher als Beweismittel erhalten bleiben müssen. hodder.lawdocs.justia.com

OpenAI hält die Vorgabe für eine „überzogene“ Discovery-Massnahme, die Hunderte Millionen Nutzer unverhältnismässig betrifft, und hat umgehend Berufung eingelegt. arstechnica.comreuters.com


2 | Wen trifft die Speicherpflicht?

BetroffenNicht betroffen
ChatGPT Free, Plus/Pro, TeamChatGPT Enterprise & Edu
API-Kunden ohne „Zero Data Retention“ (ZDR)API-Kunden mit ZDR-Vertrag

OpenAI muss die Daten in einem separaten, stark eingeschränkten „Legal-Hold-Bucket“ ablegen. Zugriff erhält laut OpenAI nur ein kleiner, auditiert­er Kreis aus Juristen und Security-Spezialisten; für das KI-Training sollen die Daten weiterhin tabu bleiben. openai.comtheverge.com


3 | Warum ist das brisant?

  1. Beweissicherung vs. Datenschutz
    Gelöschte Daten dürfen nach gängigem Datenschutzrecht grundsätzlich nicht weiterverarbeitet werden. Das Gericht stellt nun aber die Pflicht zur Beweissicherung über das „Recht auf Vergessenwerden“. Das schafft einen potenziellen DSGVO-Konflikt für EU- und Schweizer Nutzer. arstechnica.comsteigerlegal.ch
  2. Extraterritoriale Reichweite
    Obwohl die Order aus New York stammt, werden Chats weltweit gespeichert, weil sie physisch auf OpenAI-Servern in den USA landen. Nationale Aufsichtsbehörden könnten das kritisch prüfen. Gleichzeitig droht OpenAI in den USA eine Sanktion, sollte es löschen.
  3. Präzedenzfall
    Medienhäuser und andere Rechteinhaber könnten ähnliche Preservation Orders anstrengen. Damit stünde jede Lösch-Funktion bei Cloud-KI-Diensten künftig unter Vorbehalt.

4 | Technische Umsetzung & “AI Privilege”

OpenAI sichert, dass die zurückgestellten Logs nicht ins Modelltraining einfließen. COO Brad Lightcap beschreibt ein “segregated storage” ausserhalb der regulären Pipeline. arstechnica.com

Unterdessen plädiert CEO Sam Altman für ein neues Rechtsgut – die „AI Privilege“. Gespräche mit einer KI sollten dem Arzt- oder Anwaltsgeheimnis ähneln, um Nutzer vor Offenlegung zu schützen. venturebeat.com


5 | Was sollten Unternehmen jetzt tun?

MassnahmeWarum?
Enterprise- oder ZDR-Tarif prüfenDiese Varianten bleiben von der Order ausgenommen und garantieren echte Löschung.
Interne KI-Policies anpassenWeisen Sie Nutzer klar darauf hin, dass “Löschen” derzeit nur visuell ist.
Prompt-Hygiene schulenKeine personenbezogenen Daten oder vertrauliche Inhalte unnötig teilen.
Datenaufbewahrung dokumentierenFür DSGVO-Audits nachweisbar machen, warum ein Cloud-Dienst Daten “noch” hat.
Rechtsabteilung einbindenBewerten, ob zusätzliche Standardvertragsklauseln oder Addenda nötig sind.

6 | Ausblick: Drei Szenarien

  1. Erfolg der Berufung
    Das Gericht limitiert die Order zeitlich (z. B. 180 Tage) oder erlaubt Anonymisierung – die Sammel­speicherung fiele langfristig weg.
  2. Vergleich mit der NYT
    OpenAI könnte sich auf eine engere Beweissicherung verständigen und die Lösch-Frist wiederherstellen.
  3. Dauerhafte Praxis & Domino-Effekt
    Wenn die Order Bestand hat, wird sie zum Blau­druck in weiteren Urheberrechtsklagen gegen KI-Anbieter. Das würde Datenschutz­debatten weltweit verschärfen.

7 | Fazit

Die Preservation Order zeigt, wie schnell innovative Technik auf altes Beweisrecht prallt. Für den Moment gilt: Gelöscht heisst nicht gelöscht – zumindest in den consumer-Tarifen von ChatGPT. Unternehmen und Power-User sollten ihre Datenstrategie jetzt anpassen, sich auf mögliche regulatorische Prüfungen vorbereiten und genau beobachten, wie das Berufungsverfahren ausgeht.